Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
im Bewusstsein der gewaltigen innen- wie außenpolitischen Herausforderungen,
denen unser Land – und insbesondere Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler –
gegenüberstehen, wenden wir uns gleichwohl mit einer großen Sorge an Sie, die
unser Gesundheitswesen in Deutschland betrifft, aber über die rein gesundheitspolitische Dimension hinausgeht.
In Zeiten der wachsenden Instabilität fühlen sich die Menschen umso mehr angewiesen auf bisher funktionierende Versorgungsstrukturen, auf die sie sich verlassen
können. Diese Strukturen, bestehend aus den ärztlichen, zahnärztlichen und psychotherapeutischen Praxen und den Apotheken vor Ort sind für die Bevölkerung
mit unschätzbarem Wert verbunden. Sie sind verlässlich, wohnortnah und immer
verfügbar. Diese Versorgung hat für die Bürgerinnen und Bürger – nicht zuletzt in
der Pandemie – einen wichtigen Beitrag geleistet für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, praktisch als
Garant sozialer Stabilität. Konsequenter- und richtigerweise wurde vor diesem Hintergrund eine Stärkung
der ambulanten Versorgung im Koalitionsvertrag vereinbart.
Die aktuelle Gesundheitspolitik führt jedoch dazu, dass diese für die Menschen so wichtigen Anlaufstellen
ihres Vertrauens in Frage gestellt werden. Die Praxen der Niedergelassenen ersticken in Bürokratie, werden
finanziell unzureichend ausgestattet und mit nicht ausgereiften Digitalisierungspflichten gelähmt – mit gravierenden Folgen im Sinne eines eklatanten Fachkräftemangels, sowohl was den medizinischen Nachwuchs
betrifft als auch die in ärztlichen und zahnärztlichen Praxisteams tätigen Medizinischen Fachangestellten.
Die Selbstverwaltung als tragende Säule unseres Gesundheitswesens wird in ihren Handlungsspielräumen
zunehmend beschnitten und in ein staatlich gelenktes System umgebaut. Die Apotheken kämpfen mit ständig zunehmenden Arzneimittel-Lieferengpässen – inzwischen ist fast jedes zweite Arzneimittelrezept von
einem Engpass betroffen. Hinzukommt, dass die zusätzlichen Mühen und Aufwendungen der Apothekenteams in der Engpass-Krise nahezu gar nicht vergütet werden. Ganz im Gegenteil: Das Apothekenhonorar
wurde nach einem elfjährigen Stillstand nun sogar gekürzt. Und die Zahnarztpraxen werden in ihren Bemühungen, die Mundgesundheit der Bevölkerung durch eine gute präventive Versorgung zu fördern, ausgebremst, wie es aktuell bei der Volkskrankheit Parodontitis geschieht.
Mit dieser Gesundheitspolitik wird nicht nur ein bewährtes und über Jahrzehnte stabiles Gesundheitssystem gefährdet. Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgegebene Gesundheitspolitik setzt
auch eine mittelständisch geprägte, freiberufliche Struktur aufs Spiel, die für rund eine Million wohnortnahe Arbeitsplätze steht und einen – gerade in diesen Krisenzeiten – so wichtigen Stabilitätsfaktor bildet.
Tatsächlich läuft diese Gesundheitspolitik darauf hinaus, dass zunehmend Leistungskürzungen entstehen
und die vertraute ambulante Versorgung, die die Praxen und Apotheken derzeit noch stemmen, zunehmend zerstört wird.
Diese Entwicklung sorgt uns. Wir können uns nicht vorstellen, dass die Bundesregierung dies angesichts der
derzeitigen Krisenzeiten so beabsichtigt.
Vor diesem Hintergrund bitten wir Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, dringend dieser Entwicklung und
einer weiteren Verunsicherung der Bevölkerung entgegenzuwirken. Bitte lassen Sie nicht zu, dass unser von
den freien Heilberufen getragenes Gesundheitswesen mit seiner wohnortnahen, den Menschen vertrauten
ambulanten Versorgung zur Disposition gestellt wird. Bitte sorgen Sie für den Erhalt der wohnortnahen,
verlässlichen und vertrauten Gesundheitsversorgung durch ärztliche, zahnärztliche und psychotherapeutische Praxen sowie Apotheken.
Wenn es Ihre hohe zeitliche Beanspruchung erlaubt, sind wir auch sehr gerne dazu bereit, unsere Anliegen
und Lösungsvorschläge in einem gemeinsamen Gespräch zu erörtern.
Herrn Bundesminister Professor Dr. Karl Lauterbach haben wir eine Kopie dieses Schreibens zukommen
lassen.